Hallo Herr Hammel...

Geh a bissl scheißn, Oida!

Heans, gut zua! Von uns biedn bin I da Wiena. Und ned sie, Vastaundn?

Na klar, aber ich habe fast sechs Jahre in Wien gelebt, weil ich in Klosterneuburg auf die Weinbauschule gegangen bin. In „Kloburg“, wie es in Wien immer sagt´s, Und damals bin ich zum Wiener geworden. Ich liebe diese Stadt!

Wieso nicht Geisenheim, wie jeder Piefke?

Ich bin Wiener. Und ja: Ich habe auch geweint in dieser Stadt. Das gehört dazu.

Weil mein Vater den Hofrat Haushofer in Bordeaux getroffen hat. Bei einer Veranstaltung. Der Haushofer war der Direktor von Kloburg. Die waren der gleiche Jahrgang, der Haushofer und mein Vater. Die haben sich gleich gut verstanden, beide im Krieg, dem Haushofer hams an der Front gleich das Bein weggeschossen, da hat er g´sagt: „Opium? I nimm des Gift ned“. Das hat meinem Vater gefallen. Da muss ich hin, hat er gesagt.

Klingt eher fürchterlich...

Überhaupt nicht. War ein Riesenspaß. Ich war Siebzehn! Sieeebzeeehn!! Das musst dir mal vorstellen. Damals in Wien. In den frühen Achtzigerjahren. Falco. Der Kommissar. Megageil..

Ich kann mich erinnern, ich war bei einer Zeitschrift namens Wiener. Als Fotograf. Mehr hast nicht gebraucht...

Ah, die Gspritzten. Mei war das a Zeit! Da sind auch Freundschaften fürs Leben entstanden. In Wien. In Kloburg. Mit dem Fritzl Wieninger zum Beispiel. Oder mit dem Andreas Wagner vom Feuerwehr-Wagner (Weinbaubetrieb und Heuriger in Wien, Anm. d. Red.). Damals war a Piefke in Wien ja no a echter Piefke. Der Haushofer hat mich immer gefragt: „Heeaans, sie, gibt in Deitschlond a an Wein?“ So war das. Der pure Rassismus. Und alles megakatholisch. War uns freilich egal, ich hab in einer Wohnung mit acht Weinbauschülern gewohnt, wir haben gesoffen und nicht nur ein Fass aufgemacht. Ich hab mir mit der Arbeit in die Weingärten etwas Geld dazuverdient und das hab ich gleich wieder verjubelt. Herrlich! Was mir aber geblieben ist, ist die tief empfundene Liebe zum Wein.

Ich gehe auf die Menschen zu und frage: „Kann ich euch einen Wein machen? Was wollt ihr für einen Wein trinken?“

Also kann man sagen - man hört es ja auch - , dass Wien prägend war.

Und wie. Ich sag: Ich bin ein Wiener. Ist ein Stück Heimat für mich. Hab den Führerschein in Wien gemacht, hab eine große Liebe in Wien gehabt, ein Mädel aus einer Künstlerfamilie. Die hat mich in jede Ausstellung geschleppt. In jede! Und ja: Ich habe auch geweint in dieser Stadt. Das gehört dazu.

Und hat Kloburg was gebracht?

Ja sicher. Es war jedenfalls ein anderer Horizont. Ich bin ja dann auch nicht gleich in die Pfalz zurückgegangen, sondern mal zwei Jahre nach Südafrika. Die Pfalz war kein Ziel. Der Deutsche, der Feuilleton schreiben konnte und es auch gelesen hat, der hat zuerst mal seine Italiener getrunken, dann Franzosen. Und wenn es hoch herging, auch mal einen Silvaner vom Juliusspital oder einen Riesling vom Weil. Das war aber schon die Ausnahme, denn dem seine Frau hat nur Pinogritscho gesoffen. Deutscher Wein war einen Dreck wert damals. Und Franken und der Rheingau, das waren die Adeligen, sozusagen. In Rheinhessen und der Pfalz wurde der billige Mist gemacht. Das hat zwar schon damals nicht mehr gestimmt, aber die Meinung war so.

Wir haben gesoffen und nicht nur ein Fass aufgemacht. Was mir aber geblieben ist, ist die tief empfundene Liebe zum Wein.

Aber von Südafrika dann nach Deutschland? 

Ja. Ich wollte dem elterlichen Weingut ein neues Image verpassen. Wir haben ja damals 700000 Flaschen abgefüllt und mussten die auch vermarkten..

700000, na bumm!

Ja, das ist nicht wenig. Und damals war das noch viel mehr. Ich mache heute auch immer noch 650000 Flaschen. Ich mag Größe. Ich mag große Brands. Nehmen wir mal Markus Schneider. Hinter dem seinen Rücken tun immer alle schlecht reden, weil der Masse macht. Aber ich sage, man müsste Markus Schneider jeden Tag einen Orden umhängen, für das was er für den deutschen Wein getan hat. Ich sage: Es braucht noch fünf Markus Schneider in Deutschland. Ich habe überhaupt kein Problem eine Flasche Katui von ihm zu trinken. Ist lecker, schmeckt!

Auf jeden Fall habe ich 1995 alle Lagen und alle Prädikate abgeschafft. Denn ich will im Keller stehen und nicht dauernd im Büro sitzen und Weinbuch führen. Ich will kreativ sein. Und ich will, dass es Qualität in der Masse gibt. Weil es Qualität in der Masse geben muss. Ich bin eben keiner dieser Winzer, der sagt: „So, da ist mein Wein. Trinkt ihn oder trinkt ihn nicht.“ Ich gehe auf die Menschen zu und frage: „Kann ich euch einen Wein machen? Was wollt ihr für einen Wein trinken?“ Ich habe mit Mainstream überhaupt kein Problem. Ich will, dass die Leute mit meinen Weinen Spaß haben.

Und noch etwas..

Äh, ich habe eh nicht gewagt, eine Frage zu stellen.

Ich habe auch noch einen handgegrabenen Keller. Einen alten, handgegrabenen Keller mit großen Holzfässern drin. Und bin ein modernes Weingut. Das alles geht zusammen.

Ich will im Keller stehen und nicht dauernd im Büro sitzen und Weinbuch führen. Ich will kreativ sein.

Nachdem ich der Ältere bin, kann ich ja jetzt zurückduzen. Deine Facebook-Postings sind immer sehr politisch. Wie das?

Ich bin mit einem harten politischen Hintergrund aufgewachsen. In einer politisch denkenden und lebenden Familie. Mein Vater war bei der Wehrmacht und meine Mutter war eine der glühendsten Verehrerinnen vom Adolf, die ist sogar freiwillig als Sanitäterin an die Ostfront und war in Stalingrad. Freiwillig!! Das muss man sich mal vorstellen!

Ich verteidige die Freiheit. Das ist das Entscheidende für mich! Man kann nicht immer den Schwanz einziehen!

Von dort ist sie total bekehrt zurückgekommen, nachdem sie hunderten Soldaten die Beine abgenommen hat, und sonstwas. Dann hat sie meinen Brüdern verboten, zur Bundeswehr zu gehen. Mein Vater war sehr wertkonservativ und mein ältester Bruder - ich war ja der Nachzügler - hat schon voll die 68er mitgemacht. Der hatte lange Haare, hat gekifft und andere Drogen genommen und war Maoist. Aber vor allem war ein brillanter Rhetoriker. Ich bin am Küchentisch gesessen und habe mitbekommen, wie der den Vater niedergeredet hat. Mit Argumenten. Das waren Diskussionsschlachten. Du liebe Zeit!

Aber warum die vielen politischen Posts? Manche würden sagen: Das kann auch schaden.

Das weiß ich nicht, ob es mir schadet. Ich glaube nicht, dass ich deswegen eine Flasche Wein weniger verkaufe. Warum die vielen Postings? Weil man nicht weggucken kann. Und weil Politik interessant ist. Ich bin liberaler Demokrat und froh, dass wir in Deutschland ein linkes Spektrum haben. Und ich verteidige die Freiheit. Das ist das Entscheidende für mich! Die Freiheit! Man kann nicht immer den Schwanz einziehen!

Sternzeichen?

Was?

Sternzeichen? Welches Sternzeichen?

Zwilling.

Im Mai geboren?

Ja.

Da hätte ich gewettet drauf.