„Das ist eine lange Geschichte. Praktisch meine Lebensgeschichte. Und die meiner Frau und meiner Familie. Es hat damit angefangen, dass wir für unsere Kinder, als sie sehr jung waren und dann auch öfter mal die üblichen Kinderkrankheiten hatten, von den Ärzten so viele Antibiotika verschrieben bekommen haben, dass man damit eine Bonbonschachtel hätte füllen können.

Da haben wir nachzudenken begonnen, wie wir unseren Kindern helfen können, ihre Immunabwehr so zu stärken, damit sie von diesen Antibiotika wegkommen, die man ihnen selbst bei sowas wie banalen Husten oder Schnupfen verschrieben hat.

Das war vor ungefähr 25 Jahren. Wir haben unsere Ernährung auf Vollwertkost umgestellt und mehr Gemüse, Salat und Obst in den Speiseplan getan. Und das war ein Riesenerfolg. Das war unglaublich, wie schnell der Körper reagiert hat.

Und dann haben wir natürlich hinterfragt, was wir denn selber so machen. In unserem Weingut und unseren Wingerten. Und klar denkst du: Da müssen wir doch auch im Betrieb die richtigen Konsequenzen ziehen, da müssen wir uns weiterentwickeln. Und so haben wir an einer Strategie gefeilt.

Und klar denkst du: Da müssen wir  richtigen Konsequenzen ziehen, uns weiterentwickeln. Und so haben wir an einer Strategie gefeilt.
Auf die Fresse fliegen? Das ging gar net mehr!

Doch wir konnten nicht von heute auf morgen sagen: So, jetzt sind wir bio! Wir waren damals finanziell total angespannt, da wir gerade den Aussiedlerhof gebaut hatten. Das Geld war weg.

Und dann kam 1999 noch der große Korkschaden, der viele unserer Weine kaputt gemacht hat. Dadurch der damalige Wechsel zu Kronenkorken und dann nur noch Verschluss Diskussionen - es wurde mehr über die Verschlüsse als über unsere Weine gesprochen. Da wäre der Betrieb beinahe bankrott gegangen. Also haben wir die Pläne erstmal verworfen.

Doch dann war es aber gerade in dieser ganz schwierigen Zeit so, dass wir die angespannte wirtschaftliche Situation dann doch außer Acht gelassen haben. Wir waren ja im Kopf schon längst umgestellt und wollten das jetzt durchziehen. Ich hatte ja alle Lehrgänge schon gemacht und war bei vielen Bio-Kollegen zu Besuch gewesen und habe mir deren Betriebe angeschaut.

Nicht nur bio, sondern gleich biodynamisch!

Auf die Fresse fliegen? Das ging gar net mehr! Und deswegen habe ich mich darauf auch sehr penibel und genau darauf vorbereitet. Ich wusste auch, dass die im Biobereich anfallenden Arbeiten, also beispielsweise die Unterstockpflege, in einem wesentlich kleineren Zeitfenster passieren müssen. Ich hatte alles im Kopf und wollte auch nicht warten.

So haben wir es also durchgezogen und die Zertifizierung 2004 gemacht.

Und nicht nur bio, sondern auch gleich biodynamisch, weil ich davon überzeugt bin, dass uns das Biodynamische hilft, das Ökologische noch besser funktionieren zu lassen.

Was uns natürlich auch zur Umstellung bewegt hat, war der unheimliche Druck aus der chemischen Industrie. Etwa dass man auf der einen Seite künstlich düngen soll und auf der anderen Seite die Folgen dieses Düngens mit immer mehr Spritzmitteln bekämpfen muss. Mehr hilft mehr - das war die Parole früher. Glücklicherweise hatte ich das mit der vielen Düngerei schon recht früh zurückgefahren, aber wenns notwendig war, hast du die Wüchsigkeit und die Ertragsmengen mit dem Dünger hochgepusht. Die Wingert haben dann dickes Holz und dicke Trauben gehabt, die man möglichst früh lesen musste, damit die Trauben nicht so schnell verfaulen. Das Ziel war halt, möglichst viel zu ernten.

Und dann hat ja noch die gleiche Firma, die den Dünger verkauft, auch die Spritzmittel verkauft, die die Trauben ja gebraucht haben. Denn durch den Stickstoffdünger waren sie geradezu aufgedunsen und aufgequollen, sodass man viel mehr spritzen musste,

"Es ist ein wunderschönes Gefühl in einen  Boden zu greifen, der lebt, weil du ihn mit deinem eigenen Kompost gedüngt hast."

um die Trauben einigermaßen gesund und ohne Fäulnis in die Lese zu bekommen.

Das war ein riesen Teufelskreis. Wir wussten damals: die Diktatur der Industrie ist einfach unerträglich. Wir sind überhaupt nicht mehr Herr über uns selbst. Wir werden total entmündigt. Alles verlief nur schematisch und mechanisch und ohne das Gefühl und Gespür für die Natur. Dabei ist die Natur ja ein wirklicher Antrieb. Es ist ein wunderschönes Gefühl in einen lebendigen Boden zu greifen, der deswegen lebt, weil du ihn mit deinem eigenen Kompost gedüngt hast.

Die Kompostwirtschaft ist im ökologischen Weinbau ein ganz zentrales Thema. Wenn du beim Ausbringen vom Kompost merkst, dass du deinen Reben etwas nachhaltig Gutes tust, dann ist das ein richtig gutes Gefühl und du tust auch dir was Gutes. Leider ist es gerade im Rheingau so, dass du nicht jeden Komposthaufen platziert bekommst. Kunstdünger ist eben unsichtbar, ein Komposthaufen aber nicht. Außerdem verseucht der Komposthaufen das Grundwasser nicht mit Nitraten. Da wären doch ein paar Komposthaufen mehr nicht das Problem, denke ich. Aber das scheint den Leuten manchmal egal zu sein.

Mit dem Ökologischen haben wir zuerst im Keller begonnen und erst später im Wingert fortgesetzt. Im Keller sind wir dann gleich die Spontanvergärung angegangen, obwohl wir im Wingert noch gar nicht so weit waren. Das würde ich niemandem empfehlen. Ich würde eher sagen:

Wir haben keinen gefragt, ob wir umstellen sollen, sondern es einfach gemacht.

Mach du erst einmal ein paar Jahre deine Wingert gut, damit du eine gute Flora kriegst und auch die richtigen Hefen, die dir die Moste im Gärprozess vorwärts bringen. Aber das haben wir ja damals alles noch nicht gewusst.

Dafür haben wir es recht gut hinbekommen. Und unser 2003er Jahrgang, das war dieses extrem heiße Jahr, hat uns trotz aller Schwierigkeiten sehr gute Weine gebracht. Das wurde Gott sei Dank auch bemerkt.

Als wir 2002 den ersten spontanvergorenen Jahrgang rausgebracht haben, war diese Weine das Signal für den großen Wandel. An sowas scheiden sich natürlich die Geister. Und auch bei unseren Weinen. Natürlich sind nicht alle unserer Kunden mitgegangen, vor allem nach 2006, wo wir mit der Vorklärung der Moste aufgehört haben. Da war ja nichts mehr Schlechtes da, dass man hätte wegtun müssen. So haben wir die Moste einfach trüb gelassen, weil wir das als Einheit begriffen haben und auch keine Störfaktoren mehr gesehen haben.

Dieses Weglassen der Vorklärung hat natürlich auch nochmal einen sehr intensiven Ausdruck in die Weine gebracht und damit auch eine tolle Eigenständigkeit und ein tolles Profil.  

Wir haben das mittlerweile ein bisschen modifiziert:

Das Allerschönste am ökologischen Weinbau ist, dass er einfach glücklich macht.

Wir haben beispielsweise andere Pressen gekauft, die früheren Korbpressen ähnlich sind und in dem Presskuchen eine große Filtrationsleistung erzeugen. So läuft der Most wie in früheren Zeiten ganz hell und klar aus den Korbkeltern heraus und wir haben diese Trübstoffe nicht mehr.

Freilich ist der ökologische Weinbau schwieriger, als der konventionelle. Zum Beispiel war 2005 ganz schwierig, weil es so viel Falschen Mehltau gab. Das sind dann die Jahre, in denen man lernt, die Pflanze auch ohne Chemie durchzubringen und trotzdem eine einträgliche Ernte einzufahren.

Doch das Allerschönste am ökologischen Weinbau ist, dass er einfach glücklich macht. Kein Herbizid mehr zu verwenden und zu dieser Vergiftung und dieser Unausgewogenheit nichts mehr beizutragen, sondern so nah an die Natur gerückt zu sein, das man mit ihr eine Einheit bildet, dass man sie nicht verrät, sondern eine Zuneigung spürt und zu einer Lebensgemeinschaft zusammenrückt - der Winzer mit den Wingerten und den Rebstöcken. Das ist eigentlich das große Glücksgefühl, das uns allen letztendlich auch die Kraft gegeben hat, auch finanzielle Sorgen hintanzustellen und zu sagen: Das war es alles wert!"