Sie haben einmal gesagt „Wenn es um Geld geht, ist das Laster lukrativer als die Tugend.“ Gilt das immer noch?

 

Ja, das gilt immer noch. Vielleicht in etwas abgewandelter Form als zu dem Zeitpunkt, als ich mich das erste Mal intensiv mit sündhaftem Investment beschäftigt habe. Aber die Idee der lasterhaften Investitionen hat sich innerhalb kurzer Zeit verfestigt. Nach der Finanzkrise 2008/2009 wollten viele Anleger ihr Gewissen entlasten. Deshalb sind immer mehr Investmentfirmen dazu übergegangen, ihren Strategien ethische und ökologische Labels zu verpassen, selbst wenn diese bei den tatsächlichen Investment-Entscheidungen dann kaum zu finden waren.

Für mich ist ökologisch verantwortungsvolles Handeln eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Aufgaben unserer Zeit. Nur das in einer Investment-Strategie umsetzen zu wollen, ist schwer. Als die Idee des Gutmenschen-Investierens das erste Mal bei einer breiten Masse an Anlegern populär wurde, waren viele dabei, die sagten: „Das machen wir". Aber kaum jemand fragte: „Wie können wir das umsetzen?" 

 

Das Laster ist lukrativer als die Tugend!”

 

Also investierte man in Solarzellen und Windräder. Oder bediente sich des „Best in Class"-Ansatzes, der besagt, dass Anleger weiterhin grundsätzlich in alle Branchen investieren können, wenn sie Unternehmen auswählen, die als am wenigsten problematisch gelten. Und so gab es dann Öko-Investments, die auch BP im Portfolio hatten oder Tepko, dem das AKW in Fukushima gehörte. In Ethikfonds fanden sich Unternehmen wie Mediaset von Silvio Berlusconi. Die hatten eben ihre ganz eigene Bunga-Bunga-Ethik.

  

Ich biete seit vielen Jahren Veranstaltungen zum Thema Behavioral Finance an. Das ist die Verbindung von Finanzmarkttheorie mit psychologischen Erkenntnissen. Und ein Credo der Behavioral Finance ist es, dass es meist lukrativer ist, anders als die breite Masse zu handeln. Als 2009 viele nur noch vom ökologischen, ethischen oder sozialen Investieren sprachen, habe ich mir überlegt, was das Gegenteil davon ist. Ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, wie man so einen „bösen“ Investmentansatz sinnvoll und gewinnbringend umsetzen kann. So kam ich auf die sieben Todsünden und habe auf diesem Weg herausgefunden, dass hier viel bessere Gewinnchancen liegen als in den populären, aber lasterfreien Bereichen. Und da ethisches und ökologisches Investment heute noch mehr auf der Agenda steht als damals, sind auch die Erfolgsaussichten bei einer Sündenstrategie noch besser als vor ein paar Jahren.

Wie investiere ich heutzutage erfolgreich in Wein? Was ist gerade die beste Anlagestrategie für Schluckspechte? Immer noch Ihre „Ponticus-Strategie“? (Anm. d. Red. Investments in krisensichere Märkte wie Alkohol, Zigaretten, Glücksspiel und Rüstung, kurzum in Unternehmen, die die niedersten Bedürfnisse und Laster der Menschen befriedigen und deren Kurse unabhängig von den Auf's und Ab's der Konjunktur wenig Schwankungen unterliegen, auch in Krisenzeiten. Benannt ist die Strategie nach einem Mönche aus dem 4. Jahrhundert, der als erster das Konzept der sieben Todsündern formulierte.

Die von mir entwickelte Sündenstrategie wird mit Hilfe von Aktien umgesetzt. Bei einem Investment in Wein kauft man ja die Weine direkt. Damit hat man ganz andere Risiken zu beachten und es ist aufwendiger. Man muss den Wein entsprechend lagern können. Es besteht die Gefahr, dass der Wein korkt, zerbricht oder gestohlen wird. Und man kann nicht so gut diversifizieren.  

Aber als sogenanntes alternatives Investment, bei dem Wein als weiteres Investitionsgut betrachtet wird, ist das natürlich sehr zu empfehlen. An den Aktienmärkten in Wein zu investieren, ist schwer, weil es da kaum  gibt. Natürlich gibt es einige Luxusgüterhersteller, die auch Weingüter im Portfolio haben. Aber es ist auch psychologisch etwas anderes, ob man in eine Aktie investiert, die nur im Depot liegt oder ob man eine Weinflasche kauft, die man auch in die Hand nehmen kann.

Erklären Sie uns doch bitte Ihre Strategie und deren Vorteile kurz und für einen Börsenneuling verständlich.

Vereinfacht gesagt musst man nur Aktien identifizieren, die als sündhaft klassifiziert werden können. Und man benötigt eine Strategie, um überprüfen zu können, ob diese ein Gewinnpotenzial haben. Für die Ponticus-Strategie habe ich mit Hilfe von technischen Indikatoren so etwas entwickelt. 

 

Hohe Renditen hin oder her. Sollten wir nicht lieber im Zeitalter des Klimawandels und einer globalen Pandemie jeglichen Hedonismus, vielleicht sogar Egoismus im Sinne von Profitmaximierung über Bord werfen und stattdessen in eine nachhaltigere Zukunft investieren und Unternehmen unterstützen, die die Welt ganz ohne Pseudo-Greenwashing ein bisschen besser machen?

Wie ich eingangs schon sagte, ist ökologisch verantwortungsvolles Handeln sehr wichtig. Aber sündhaftes Investieren und nachhaltiges Handeln schließen sich nicht grundsätzlich aus. Die Schwierigkeit besteht nur darin, die Unternehmen zu finden, die auch ökologisch verantwortungsvoll handeln. Vor ein paar Jahren gab es viele ökologisch sinnvolle Unternehmen, die aber nur Verluste produziert haben. Auf der anderen Seite gibt es auch viele Bio-Winzer, die per Definition in die Kategorie Sünde fallen, weil sie eben Alkohol produzieren. Aber diese Bio-Winzer kümmern sich mehr um die Umwelt als manche Unternehmen, die in ökologischen Fonds enthalten sind.

In welche Weine sollte ich aktuell unbedingt investieren?

Zunächst einmal sollte man sich überlegen, welche Charakteristika die Weine haben sollten, in die man investiert. Nicht jeder Wein eignet sich als alternatives Investment. Zunächst einmal muss ein Wein, der dafür geeignet ist, natürlich eine gewisse Begrenztheit aufweisen. Weine aus der Lage Romanée Conti, von denen pro Jahr gerade mal 1000 Flaschen produziert werden, sind dafür ein Paradebeispiel. Solange es auf der Welt Weinliebhaber gibt, die bereit sind viel Geld für Wein auszugeben, wird der Preis solcher Weine hoch bleiben und weiter steigen. Massenweine wie Lugana oder Pinot Grigio eignen sich dafür nicht. 

Das zweite Charakteristikum für ein erfolgreiches Weininvestment ist natürlich die Nachfrage. Wobei das nicht unbedingt die aktuelle Nachfrage sein muss. Es geht ja um die Zukunft. Wenn man Weine findet, die aktuell noch eher unbeachtet sind und nicht viel nachgefragt werden, die aber das Potenzial haben, in Zukunft zu gefragten Weinen zu werden, dann sind die für ein Weininvestment besonders geeignet. Entscheidend wird dann natürlich nur sein, ob die Einschätzung zur Zukunft auch richtig war. Und drittens müssen die Weine natürlich lagerfähig sein. Ein Wein, der nach fünf Jahren sein Genuss-Optimum erreicht und nach acht Jahren kaum noch trinkbar ist, ist als Weininvestment vollkommen ungeeignet. Und dann sollten die Weine bei den Preisen natürlich noch Luft nach oben haben.

Gibt es bestimmte "Krisenweine", die in den letzten zwölf Monaten besonders in ihrem Wert gestiegen sind?

Natürlich hat die Nachfrage gerade aus Asien die Preise für Burgunder oder die großen Bordeaux noch weiter in die Höhe getrieben. Aber ich denke, das ist eher der allgemeine Trend und nicht auf einzelne Weine beschränkt.

Wohin geht der Trend beim Investieren in Alkohol bzw. im Speziellen in Wein?

Der Trend geht wie in anderen Bereichen auch weg von der Masse und hin zu speziellen Produkten. Das sieht man besonders im Whiskybereich. Whiskys aus einzelnen Fässern oder spezielle, limitierte Abfüllungen aus besonderen Jahrgängen sind in den letzten Jahren besonders stark im Wert gestiegen. Ähnlich ist es beim Wein. 

Was halten Sie von Investments in Bio-Weine bzw. hochwertige Luxus- und Genussprodukte aus nachhaltiger Produktion?

Ein Bio-Label sollte nicht die Basis für ein Investment sein. Es gibt grottenschlechte Bio-Weine, auf der anderen Seite gibt es konventionell hergestellte Weine, bei denen einem das Herz aufgeht. Bei hochwertigen Produkten ist es schon etwas anderes, aber wie ich schon beschrieben habe: Weine, die sich für ein Investment eignen, müssen einfach eine gewisse Knappheit aufweisen, lange lagerfähig sein, ein Preissteigerungspotenzial haben, und die Nachfrage muss in Zukunft vorhanden sein.

Lohnt es sich auch in Timorasso zu investieren?

Selbstverständlich. Das setze ich ja um. Timorasso weist all die Kriterien auf, die ich zuvor genannt habe. Er wird aus der gleichnamigen Rebsorte gekeltert, die schon seit dem 15. Jahrhundert in den Colli Tortonesi nachgewiesen werden kann. Dort, im Südosten des Piemonts, hat der Timorasso seinen Ursprung. Es war damals eine bedeutende Rebsorte, die jedoch immer stärker zurückging. Mitte der 1980er-Jahre gab es nur noch knapp drei Hektar.  Dann kam der visionäre Winzer Walter Massa und erweckte den Timorasso wieder zum Leben. Inzwischen gibt es immerhin rund 200 Hektar, die in Ertrag sind, weitere Weinberge wurden gepflanzt. Aber auch heute kommen wir gerade Mal auf eine Flaschenproduktion von rund 450.000 Flaschen pro Jahr. 

Die Knappheit ist also gegeben. Und die Winzer waren so vorausschauend, dass sie gemeinsam eine Obergrenze bei den Pflanzungen festgelegt haben. Mehr als 300 Hektar Timorasso wird es in Zukunft nicht geben. Er wird also nie ein Massenwein werden. Auch die Langlebigkeit ist gegeben, was für einen Weißwein ja nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit ist. Ich habe 20 Jahre alte Timorasso getrunken, die hatten eine Kraft und Frische, die manch anderer Wein schon nach fünf Jahren nicht mehr aufweist. Auch das ist übrigens eine Erkenntnis, die auf Walter Massa zurückgeht.

Früher wurden die wenigen reinsortigen Timorasso innerhalb eines Jahres getrunken. Erst als Walter den Timorasso wieder zum Leben erweckt hatte, fiel sein Reifepotenzial auf.  Beim Preispotenzial braucht man sich noch gar keine Gedanken machen. Verglichen mit anderen italienischen Weißweinen fällt er jetzt schon nicht gerade in die Billigwein-Kategorie. Aber wir sprechen da noch lange nicht von einem Luxusgut, die Endverbraucherpreise liegen in der großen Mehrheit im niedrigen zweistelligen Bereich.

Auch bei der Nachfrage tut sich einiges. Der Wein ist selbst für viele Sommeliers noch weitgehend Terra incognita. Hier komme ich nun ins Spiel. Von den aktuell 57 Produzenten kenne ich 56. 30 davon bieten wir im Genießer-Treff an, einem Wein- und Genussladen, der im November in Feldkirchen bei München eröffnet hat. Und ich rühre die Werbetrommel. Wenn ich in Restaurants gehe, kommt es ganz häufig vor, dass sich „zufällig" eine Flasche Timorasso in meiner Tasche findet, die ich dem Sommelier auch schon einmal zum Probieren da lasse.  Die Nachfrage nimmt stetig zu, nicht nur in Deutschland. Natürlich vor allem in Italien, aber auch in den USA, Norwegen und Asien. Das merkt man dann inzwischen auch an der Preispolitik der Winzer. Einige haben ihre Preise im vergangenen Jahr um 20 Prozent angehoben, im Vergleich zu vor ein paar Jahren reden wir dann eher von 80 bis 100 Prozent. Schön für die Bestände der Weininvestoren, schlecht für die Weingenießer, die erst noch kaufen müssen. Aber genau so funktioniert erfolgreiches Investment.

 

Was ist die wichtigste Erkenntnis, die man beim Investieren benötigt? Was haben Sie über die Jahre dazu gelernt und welche Tricks können Sie mit unseren Lesern teilen?

Die wertvollste Erkenntnis in Sachen investieren ist der Bedarf an Demut. Die Demut vor dem Markt und die Demut vor dem Wissen. Man kann sich noch so bemühen, irgendetwas übersieht man trotzdem. Und dann muss man eben die Demut haben, sich einzugestehen, dass man falsch lag. Man sollte sich dazu zwingen, Investitionsentscheidungen stets zu hinterfragen. Das ist natürlich insbesondere an den Aktienmärkten wichtig. Dort sind die Schwankungen sehr groß. Bei einem Weininvestment wird man Schwankungen gar nicht so sehr sehen. Aber wenn man Wein eingekauft hat, sollte man auch regelmäßig einmal überprüfen, ob man diese Investition zum aktuellen Zeitpunkt nochmals tätigen würde. Nur wenn man zum Ergebnis kommt, dass man dies nochmals tun würde, ist die Entscheidung OK. Kommt man dagegen zu dem Schluss, dass man die Position nur deshalb behält, weil man sie in der Vergangenheit nun mal schon getätigt hat, sollte man sie abstoßen und sich lieber nach etwas Neuem umschauen.

Zurück zum Wein. Wie, wo und warum haben Sie Ihre Liebe für Timorasso entdeckt, der so nischig ist, dass viele ihn noch gar nicht kennen? Was fasziniert Sie daran? Erinnern Sie sich noch an einen besonderen Schlüsselmoment?


Das erste Mal habe ich Timorasso bei Carmelo Greco getrunken, dem italienischen Sternerestaurant in Frankfurt. Bei Carmelo habe ich schon sehr viele neue Weine entdeckt, die ich vorher nicht kannte. Als ich dann das nächste Mal im Piemont war, bin ich zu einem Winzer gefahren, um mehr über die Rebsorte herauszufinden. Das war bei Cascina La Ghersa. Massimo Pastura war einer der ersten, der bereits 2007 von außerhalb der Colli Tortonesi das Potenzial des Timorasso erkannt hat. Die ersten Jahrgänge hat er zusammen mit Walter Massa produziert, danach die Weine aber selbständig erzeugt. Wir saßen also bei ihm und ich fragte ihn, wie lange der Wein denn im kleinen Holzfass gelegen habe. Denn die Komplexität an Aromen wurde durch eine dezente Holznote abgerundet. Massimo grinste und sagte „Keine einzige Minute". 

Das war der Erweckungsmoment. Weine, die ohne große Bearbeitung so eine Komplexität bekommen, findet man selten. Der Timorasso reift in der überwiegenden Mehrzahl tatsächlich ausschließlich im Stahltank. In der Regel elf Monate, dann noch etwas in der Flasche. Für die Riserva-Weine ist sogar eine Reifezeit von zweieinhalb Jahren vorgesehen. Aber eben immer ein Ausbau ohne Holzeinsatz. Trotzdem scheint man gerade bei etwas älteren Weinen einen Holzton herauszuschmecken. Da beschloss ich, mich in die Tiefen der Timorasso-Welt hineinzutrinken.

Einige Wochen später lernte ich Walter Massa kennen und erzählte ihm von meiner Idee, Timorasso in Deutschland bekannt machen zu wollen. Er organisierte daraufhin ein Treffen mit anderen Produzenten. Zu dem damaligen Zeitpunkt gab es 38 Winzer, die unter ihrem eigenen Namen Timorasso verkauft haben, 19 davon, also die Hälfte, war dann bei dem Treffen dabei. Das fand ich schon sehr erstaunlich. Da kommt so ein Typ aus Deutschland, der sein Geld im Finanzsektor verdient, erzählt von der Idee, Timorasso bekanntmachen zu wollen, und die Hälfte aller Produzenten kommt zu einem Treffen. Dabei zeigte sich, dass kaum einer seinen Wein exportierte. Nach einer Blindprobe von 26 Weinen konnte ich einen ersten Überblick bekommen, den ich seither immer weiter vertieft habe.

Gestartet haben wir die Operation Timorasso mit sieben Winzern. Mit denen haben wir dann in Deutschland erste Verkostungen für Sommeliers und Weinspezialisten organisiert. Als die ersten Sterne-Restaurants die Weine auf die Karte genommen hatten, war das Eis gebrochen. Die Winzer haben gesehen, dass ich es mit meinem Projekt ernst meinte."

Nach welchen Kriterien kuratieren Sie die Weinauswahl für Ihren Shop?

Im Laufe der Zeit habe ich immer mehr Produzenten und deren Weine kennengelernt. Bei der Weinauswahl versuche ich auf der einen Seite, die Bandbreite von Timorasso abzubilden. Auf der anderen Seite sollte die Typizität des Weins, also seine Mineralität, seine Komplexität und sein typischer Salz-Zitrus-Petrol-Geschmack erkennbar sein. Ein Timorasso ist so eigen, den erkennt man einfach im Glas. Aktuell arbeite ich mit 30 Produzenten zusammen. Von denen, die Timorasso schon länger erzeugen, gibt es noch vier oder fünf, die ich auch gerne mit ins Portfolio aufnehmen möchte.“

Mit welchen Argumenten überzeugen und begeistern Sie Menschen, die Timorasso noch nicht kennen? Was macht ihn so besonders?

Ich beschreibe Timorasso immer als den rotesten Weißwein, den man sich vorstellen kann. Oder, damit haben aber die Winzer vor Ort angefangen, als den „weißen Barolo“. Alleine damit kann man die Aufmerksamkeit wecken. Und das sind ja auch keine leeren Floskeln, sondern die Beschreibung passt. Timorasso sollte am besten bei 14° - 16°C getrunken werden, aus großen bauchigen Gläsern. Ein Dekantieren ist zwar nicht unbedingt immer notwendig, hilft aber. Das sieht man schon daran, dass die Weine einige Zeit nach dem Öffnen noch mehr an Komplexität gewinnen. 

Seine Heimat, die Colli Tortonesi, sind in etwa so wie die Langhe vor 40 oder 50 Jahren war. Neben Weinbergen gibt es Felder mit Getreide, Pfirsich- und Erdbeerplantagen, sehr viel Wald, in dem übrigens auch hervorragende Trüffel wachsen, die man dann ohne Touristenaufschlag kaufen kann. Nur in Tortona findet sich eine Enoteca. Mit Anna Ghisolfi gibt es auch nur ein gehobenes Feinschmeckerrestaurant, das aber alleine schon deshalb aufgesucht werden sollte, weil es in einer ehemaligen Kirche untergebracht ist. Dann finden sich noch vereinzelt Restaurants, die eine hervorragende regionale Küche anbieten, die muss man jedoch schon suchen.

Der größte Unterschied ist aber tatsächlich der Besuch auf den Weingütern. Die wenigsten sind auf Besucher eingestellt. Zum Verkosten wird man dann eben in die Küche gebeten, wo dann erst einmal die Zeitung und die Teller vom Mittagessen weggeräumt werden. Auch hochwertige Gläser sind nicht überall zu finden. 

Welche Weine legen Sie Timorasso-Entdeckern ans Herz? Zu welchen Gerichten passen die Weine besonders gut?

Grundsätzlich ist die Auswahl ja überschaubar, aber trotzdem gibt es eine sehr große Bandbreite. Nichts falsch macht man bei Walter Massa, Claudio Mariotto und La Colombera. Da finden sich auch ältere Jahrgänge. Die Weine von Cascina Montagnola sind eher voluminös und haben recht viel Alkohol, den man aber weder in der Nase, noch im Mund bemerkt, sondern erst dann, wenn die Flasche leer ist. Daniele Ricci sollte man probieren, wenn man maischevergorene Weine oder Orange-Wines mag. Die von Gian Paolo Repetto, Luigi Boveri, Cantina di Tortona oder Paolo Poggio sind typische Vertreter der Rebsorte. Schlanke Weine mit teilweise nicht ganz so viel Alkohol findet man bei La Ghersa, Terralba oder Cascina Salicetti. Bioklassifizierte Weine kommen von La Vecchia Posta, Pomodolce, Pernigotti oder I Carpini, und Weine aus dem südlichen Gebiet, die teilweise auf bis zu 550 Meter Höhe wachsen, kommen von Ezio Poggio oder Monterosso. Barolo-Produzenten, die inzwischen in den Colli Tortonesi Timorasso anbauen, sind Borgogno, Monlia (ein Tochterweingut von Oddero), Vietti, Voerzio Martini oder natürlich Luca Roagna. 

Grundsätzlich passen vor allem kräftige Speisen zu den Weinen, das fängt bei Fisch an, zu Trüffel oder Käse passen die Weine perfekt und es geht bis zu Rindfleisch. Aber selbst zu Taube oder Rehfilet habe ich schon Timorasso mit einer leichten Süße gehabt, die haben super harmoniert. Das muss man ausprobieren. Vielleicht hilft bei der Einschätzung eine kleine Übersicht, welche Kombinationen es in verschiedenen Spitzenrestaurants schon gab. Bei Carmelo Greco wurde der Derthona 2017 von La Colombera zu seiner Royale di Parmigiano serviert. Im Esszimmer von Bobby Breuer gab es zum Timian 2012 von Cascina La Ghersa Rotbarbe mit Muscheln und einer Curry-Sauce oder den Derthona 2015 von Walter Massa zu Kalbsherz. Im Tulus Lotrek in Berlin gab es den Stato 2008 von Terralba zu Kaviar, Eierstich und Dashi und im Restaurant Gustav in Frankfurt hatte ich den San Leto 2015 von Daniele Ricci zu karamellisiertem Blumenkohl, reduzierter Sauermolke und Eisenkraut. Das war für mich bisher die ultimative Kombination von einem Gericht mit einem Timorasso.

Und wie fühlen sich diese Weine auf der Zunge genau an?

Zunächst einmal überraschend. Viele haben zu Beginn einen salzigen Ton, zu dem dann Früchte wie Quitte, Aprikosen oder Holunder hinzukommen. Auch Kräuter wie Thymian oder Rosmarin findet man oft. Und bei älteren kommt eben eine Petrolnote hinzu. Aber eigentlich ist Timorasso schwer zu beschreiben, weil er eben so vielschichtig ist. Den muss man einfach probieren!