Neben solchen breit komponierten Champagnern kann es jedoch auch kleingruppiger werden. Sei es, dass nur eine Rebsorte verwendet wird, sei es, dass der Champagner aus lediglich einem Jahrgang (Millésime) stammt, sei es, dass der Wein aus lediglich einem Ort (Mono-Cru) oder Weinberg (Lieu-dit) kommt.

Gibt es das besondere Terroir? Und wenn ja, wie sieht es eigentlich aus?

Diese Spezialisierung, die ihren Höhepunkt in einem Champagner findet, der aus einem Jahr, von einer Rebsorte und sogar aus lediglich einem Weinberg stammt, findet man zunehmend häufiger.

Zwar haben einige renommierte Häuser wie Krug mit dem Clos du Mesnil oder Philipponnat mit dem Clos des Goisses mit einem solchen Triple-Single-Champagner schon vor einigen Jahrzehnten begonnen, doch sind diese Weine eigentlich das Feld der Winzer. Sie sind in den letzten anderthalb Jahrzehnten immer stärker diesen zweiten Weg der Champagne gegangen. Dieser verortet den einzelnen Champagner konsequenter, als es eine Cuvée tut.

Aus diesem Grund ist es sinnvoll, einmal genauer hinzuschauen, wie die oft so hochgelobten und als einzigartig beschriebenen geologischen Voraussetzungen der Champagne sich überhaupt darstellen. Gibt es das besondere Terroir? Und wenn ja, wie sieht es eigentlich aus?

Die Sub-Appelationen der Champagne

Ohne Zweifel gehört die Champagne zu den großen Wein-Terroirs, die Frankreich zu bieten hat. Doch besteht die Champagne natürlich längst nicht nur aus Kalk und Kreide, wie es häufig kolportiert wird. Allein die heute gebräuchliche Unterteilung in Sub-Appellationen deutet schon darauf hin, dass wir es mit einem komplexeren Zusammenspiel von Boden und Mikroklima zu tun haben. Wenn man auf die Karte der angebauten Rebsorten schaut, wird auch schnell klar, dass sich bestimmte, fast reinsortige Zonen gebildet haben. Die wahrscheinlich berühmteste davon ist die Côte des Blancs, in der auf oft reinen Kreideböden zu 95 Prozent Chardonnay wächst.

Nicht weit davon entfernt aber, im südöstlichen Teil der Montagne de Reims, findet sich ein ähnlicher Boden, auf dem fast ausschließlich Pinot Noir wächst. Entlang des Vallée de la Marne gen Westen wird der Bestand an Pinot Meunier immer dichter, während ganz unten im Südosten des Gebiets der Pinot Noir wieder deutlich die Oberhand hat. Die Sub-Appellationen Montagne de Reims, Vallée de la Marne, Côte des Blancs und Côte des Bar sowie die kleinen Zonen Montgueux, Vitry-le-François, Côte de Sézanne oder auch das Massif de Saint-Thierry geben zwar einen Hinweis auf unterschiedliche Stilistik und Voraussetzungen, die wirklich entscheidenden Bruchkanten innerhalb der Champagne jedoch verlaufen teils woanders.

Das Pariser Becken

Die Champagne in ihrer heutigen Form ist Teil des Pariser Beckens und somit Teil einer über Millionen Jahre erfolgten Aufschichtung von Sedimenten, die vielfach mit Versteinerungen früher Lebensformen angereichert ist. Diese Sedimentbecken, von denen das Pariser als archetypisch gilt, entstehen, wenn sich rundherum Gebirge auffalten und das Becken organisches Material ansammelt.

Im Falle des Pariser Beckens ist es so, dass es sich zum Kanal hin öffnet (auf der anderen Seite des Kanals findet man dann gleiche Kalk- und Kreidevorkommen wie in der Champagne), und auf der abgetrennten südost- englischen Seite fortgeführt wird, während das Massif Armoricain, das Massif Central, der Morvan, die Vogesen, die Ardennen und das Rheinische Schiefergebirge die Grenzen bilden.

Die Hauptrebsorten der Champagne

Die tiefsten Schichten der Sedimentbecken liegen 3000 Meter tief und sind meist die härtesten und am dichtesten zusammengepressten, während die oberen Schichten häufig sandig und schluffig sein können.

Im Pariser Becken, dessen tiefste Ausläufer bis an die Obermosel um Perl herum reichen, finden sich mehr als acht Schichten, von denen sechs die Champagne direkt betreffen. Die ältesten Schichten in Luxemburg und Obermosel sind Sandsteinschichten aus dem Trias (245–195 Mio. Jahre), dann folgen die Kalksteinschichten aus dem späten, mittleren und jüngeren Jura (195– 135 Mio. Jahre), die von der Mosel bis zum Chablis und Bar-sur-Aube reichen.

Die nächste Schicht aus der älteren Kreidezeit (135–96 Mio. Jahre) liegt oberhalb der Côte des Bar in jenem Bereich der Champagne, in dem kein Weinbau stattfindet, während die jüngere Kreide- zeit (96–65 Mio. Jahre) sich in den Böden von Montgueux über Épernay bis Reims ausdrückt.

Westlich von Épernay, im Tal der Marne, finden sich Ausläufer des Paläozän (65–55 Mio. Jahre), während sich vom Massif de Saint Thierry über die Île-de-France bis nach Paris die jüngste Schicht, das sogenannte Oligozän (36–24 Mio. Jahre), zieht. Somit befinden sich innerhalb der Champagne fünf Schichten mit vier Bruchkanten, die man in den Böden des Gebietes wiederfindet und zu denen natürlich bestimmte Rebsorten passen, die die Eigenheiten der Böden deutlich widerspiegeln.

Die Champagne des Paläozän am Massif de Saint Thierry

Im nordwestlichsten Teil der Champagne, rund um die Orte Prouilly, Chenay und Merfy und oberhalb des Flusses Vesle, der auch durch Reims fließt, findet sich ein kleiner geologischer Bereich des Sedimentbeckens, der zur zweitjüngsten Schicht des Pariser Beckens, dem Eozän, gehört. Das Eozän bestand zwischen 56 und 34 Mio. Jahren. Der Beginn dieser Zeitspanne ist geprägt durch einen hohen Temperaturanstieg und durch einen damit verbundenen Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre. Es war global so warm, dass die Pole eisfrei waren und es noch eine Landbrücke zwischen Eurasien, Grönland und Nordamerika gab. In dieser Zeit entstand eine große Gruppe an Säugetieren, wie Unpaarhufer, Fledertiere, Nagetiere und Primaten. Entsprechend findet man in dieser Schicht Fossilien von Urpferden, Tapiren, Krokodilen und Riesenlaufvögeln.

In der Champagne, ist es die Kreide die zählt.

Der Kalk liegt hier sehr tief im Untergrund und ist für die Reben kaum erreichbar. Wichtiger ist die Kreide, die an manchen Bruchkanten an die Oberfläche dringt, grundsätzlich aber unter zwei weiteren Schichten liegt. Der Boden hier wird geprägt von Mergel, Ton, Schluff und verschiedenen Arten von Kiesel und Sand. Diese obere Schicht sorgt zusammen mit der etwas kühleren Temperatur dafür, dass hier vor allem Meunier angebaut wird und ein wenig Pinot.

Stilistisch haben die Weine, die im Prinzip zur Montagne de Reims gehören, nicht viel mit jenen zu tun, die beispielsweise aus Verzy oder gar Bouzy stammen. Die Weine verfügen über deutlich weniger Säure, als es an der Côte des Blancs der Fall ist, sie sind etwas breiter, saftig, manchmal ins Exotische gehend. Dies lässt sich unter anderem in den Weinen von Maxime Blin feststellen. Ich selber empfehle zusätzlich die Weine von Chartogne-Taillet und Francis Boulard & Fille.

Die Champagne des Oligozän in der Montagne de Reims und dem Vallée de la Marne

Geologisch gesehen, ist die D951/N51 eine interessante Straße innerhalb der Champagne; denn östlich dieser Straße, die vom Reims nach Épernay führt, ändert sich das geologische Gefüge hin zu deutlich kalkreicheren Böden und entsprechend ändern sich die Pflanzungen von Pinot Meunier zu Pinot Noir. Bleiben wir auf der westlichen Seite der D951/N51, so wird die Montagne de Reims in Orten wie Gueux, Vrigny oder Chamery vor allem durch das Oligozän bestimmt. Dieses definiert den Zeitraum 36 bis 24 Mio. Jahre.

In dieser Zeit wurde es wieder deutlicher kühler (zunächst 5°C im Jahresmittel weltweit, später noch deutlich kälter). Die Polkappen begannen zu vereisen und es bildete sich der zirkumpolare Meeresstrom. Das Anwachsen vor allem der polaren Gletscher führte zu einem Absinken der Meere um zunächst ca. 30 m bis später 150 m. Dadurch entstanden diverse neue Landverbindungen und somit konnten auch nach Mitteleuropa neue Tierarten, z. B. von Asien aus, eindringen.

Auf der bereits erwähnten Ton- und Lehmschicht liegt hier der jüngere Mergel, durchzogen von sogenanntem Mühlstein, einem dichten, teils porösen Stein aus Kalk und Silit, der in Paris gerne zum Bauen verwendet wird.

Die unterschiedlichen Terroirs der Champagne

Aus der gleichen Zeit stammt ein großer Teil der westlich gelegenen Weinberge im Tal der Marne.

Zwar hat der Fluss Teile davon weggewaschen, sodass nahe am Wasser Böden der Kreidezeit zu sehen sind, doch wird das gesamte Gebiet durch Lehm, Ton und Sand geprägt. Teils ist der Boden so sandig, dass man dort noch einige nicht veredelte Rebstöcke antrifft, meist aber ist es Lehm, auf dem zu 80 Prozent Pinot Meunier zu finden ist. Apropos Tarlant ... Tarlant ist einer der Winzerbetriebe, wo man diese unterschiedlichen Schichtungen sehr genau untersucht hat und auch in den Weinen abbildet.

Eine weitere Besonderheit des Marne-Tals ist übrigens die Gesteinsart Tuffeau de Damery, benannt nach dem Ort, den man auf der rechten Seite der Marne unweit von Épernay findet. In den höchsten Weinbergen entlang des Flusses findet man eine Bedeckung aus 45 Mio. Jahre altem Tuffstein des Eozän, in dem sich eine enorme Fülle an hervorragend erhaltenen Muschel-Fossilien angesammelt hat.

Die östliche Montagne de Reims und der Übergang vom Eozän zur Kreidezeit

Biegt man unterhalb von Reims, die D951 Richtung Épernay entlangfahrend, bei Villers-Allerand auf die D26 ab, erreicht man schnell die wichtigen Orte dieses Abschnitts der Montagne. Rilly-la-Montagne, Ludes, Verzenay, Verzy sind noch vom Eozän geprägt, doch schimmert hier in den unteren Teilen der Hügel die Kreide immer stärker durch. Fährt man den Bogen weiter, erreicht man Trépail, Ambonnay und Bouzy, wo man, geologisch gesehen, schon fast an der Côte des Blancs angekommen ist. Eigentlich könnten diese Orte schon genauso komplett mit Chardonnay bestockt sein wie Vertus oder Le Mesnil-sur-Oger. Diese Sorte findet man auch in Trépail, doch in Bouzy und Ambonnay wird traditionell seit Jahrhunderten Pinot Noir angebaut – und zwar der vielleicht beste der gesamten Champagne.

Die Weinberge der genannten Orte unterscheiden sich dabei von Ort zu Ort, doch für den nördlichen Teil der östlichen Hügel rund um Verzenay – der Ort mit Leuchtturm und Mühle – kann man festhalten, dass sich die an die Hügel geschmiegten Weinbergslagen quer durch Kreidezeit, Paläozän und Eozän bis Oligozän ziehen. Auch wenn die Rebstöcke vor allem im Kreidekalk der Kreidezeit und des Paläozän stehen und nur die oberen Reihen in Ton und Mergel, werden die Lagen doch deutlich von den darüberliegenden Schichten beeinflusst, denn Silit, mit Fossilien angereicherter Mergel, Sand, Ton und der ganz oben liegende, metallreiche Ton sind mit mineralreicher Braunkohle durchmischt. Die cendres oder terre noire reichern seit Jahrhunderten die darunterliegenden Weinberge an.

Wenn man nach typischen Weinen für diesen kleinen Bereich sucht, dann sollte man zum Beispiel bei François Secondé in Sillery vorbeischauen, das zugegebenermaßen nicht direkt an der D26 liegt, sondern an der größeren E50, der Autoroute de l’Est. Sillery war neben Aÿ lange der berühmteste Weinort rund um Reims und es gab bis ins 19. Jahrhundert Etiketten, die nicht mit Champagne, sondern mit Sillery Mousseux gelabelt waren.

Bei Secondé lohnt es sich, den Blanc de Noirs La Loge zu probieren, denn es ist ein reinsortiger Pinot Noir aus Sillery aus fünfzig Jahre alten Reben, der in einer Solera ausgebaut wird. Eine weitere Empfehlung wäre die noch junge Unternehmung Penet-Chardonnet. Alexandre Penet hat 2009 seinen ersten Jahrgang gemacht, ist aber ein versierter Weinmacher mit einer klaren, terroirbetonten Ausrichtung. Die Familie, die es bereits seit 400 Jahren in Verzy gibt, hat 40 Parzellen in Verzy und dem benachbarten Verzenay. Die Champagner bilden sehr klar die Bodenstrukturen mit ihrem hohen Maß an mineralischem Gehalt ab.

In der Champagne ist es die Kreide, die zählt.

Die obere Kreide: Von Ambonnay und Bouzy über die Côte des Blancs bis nach Montgueux

Je weiter man von Ambonnay und Bouzy über Aÿ und Épernay an die eigentliche Côte des Blancs kommt, desto dünner wird die Auflage auf der Kreide des Campaniums (84 bis 72 Mio. Jahre). In den oberen Teilen der Hügel findet man zusätzlich Tertiär-Kalkstein mit hohem Tonanteil. Der Boden, den man hier in teils reiner Form bis zur Oberfläche findet (vor allem in Le Mesnil) und der dort oft nur von etwas Staub oder einer dünnen Grasnarbe bedeckt ist, bildet die Seele des Gebietes. Er besteht aus den Überresten unzähliger kalkhaltiger Algen und den brüchigen Schalen kleinster Meereslebewesen, die in riesigen Mengen die Urzeitmeere der Kreidezeit bevölkerten und, wenn sie starben, wie Pulverschnee hinabsanken – und das für Millionen von Jahren.

Heute bildet die Schicht einen basischen Schwamm, der jeden Tropfen Wasser aufsaugt, an dem sich dann die Rebe bedienen kann. Das kommt den Reben sehr zugute, denn der Niederschlag in diesem Gebiet ist mit 660 mm im Jahresmittel nicht besonders hoch.

Nur von etwas Staub oder einer dünnen Grasnarbe bedeckt.

Fährt man von Verzy über Trépail nach Bouzy, dann merkt man, dass es in den Weinbergslagen wärmer wird, was nicht zuletzt daran liegt, dass die besten eine klare Südausrichtung haben. Bouzy und Ambonnay sind nicht nur bekannt für Champagner, sondern auch für stillen Pinot, sogenannten Coteaux Champenois. In Ambonnay kommt die Kreide schon bis an die Oberfläche durch und liegt in dichten Schichten unter den Weinbergen – Les Crayères, der vielleicht bekannteste Lieu-dit, führt diesen Boden schon im Namen.

Die Pinots aus diesen Orten bilden entsprechend der Bodenstruktur eine rotes Pendant zu den Chardonnays von der Côte des Blancs, sie sind üppig und sinnlich und dabei von einer enorm rassigen und mineralischen Säure getragen. Es ist kein Wunder, dass Krug sich als Pendant zum Clos du Mesnil für einen kleinen alten Weinberg ausgerechnet in Ambonnay entschieden hat, um neben reinsortigem Jahrgangs-Einzellagen-Chardonnay das Gleiche auch in einer Pinot-Noir-Variante anzubieten.

Empfehlungen für diese Orte sind ganz klar Paul Bara, Benoît Lahaye und Pierre Paillard für Bouzy und Egly-Ouriet, Éric Rodez und Marie-Noëlle Ledru für Ambonnay.

Die Côte des Blancs unterhalb der Marne, von Épernay kommend, beginnt mit Cuis, Cramant und Chouilly, und schon hier wird klar, dass die Hügel etwas steiler sind. Vor allem Cramant beeindruckt mit einem Amphitheater von östlicher über südöstlicher bis südlicher Ausrichtung. Hier gibt es noch eine bemerkenswerte Lehm-Kalkstein-Lage aus dem Tertiär, die über der Oberkreide liegt und die man auch noch in Avize findet. Die reinste Form an Côte-des-Blancs-Champagner findet man vielleicht in Le Mesnil-sur-Oger, und zwar vor allem in den nach Vertus hin liegenden Lagen wie Moulin-à-Vent, Musettes, Champs Alouette oder Rougemonts oder Les Chétillons, die zur Bodenstruktur noch das Glück haben, in südlicher Ausrichtung viel Sonne einzufangen.

Vier verschiedene Bruchkanten des Pariser Beckens spielen in der Champagne eine Rolle

Daran schließen sich einige Weinberge von Vertus an. In der größten Gemeinde an der Côte des Blancs gibt es allerdings einen Bruch, sodass die Wein- berge Richtung Mont Aimé und Côte de Sézanne fetter werden und langsam die nächste Bruchkante spürbar wird. Eine Ausnahme im Meer der Zuckerrüben, das sich an die Côte de Sézanne anschließt, ist Montgueux bei Troyes, wo sich ein Hügel erhebt, der feinste Belemnit-Kreide aufweist und wiederum on top of the hill über tertiäre Schichten verfügt, die seit langer Zeit die darunterliegenden Hänge mit Mineralien versorgen. Es gibt in diesem Bereich so viele Weinempfehlungen, dass es schwierig ist, einzelne herauszupicken. Leicht fällt es für Montgueux, da bildet Lassaigne das Terroir hervorragend ab.

An der Côte de Sézanne ist es Ulysse Collin, in Vertus präferiere ich Pascal Douquet, Larmandier-Bernier und Veuve Fourny, in Mesnil ist es (bezahlbar) Pierre Péters, in Avize Agrapart, in Cramant sind es Diebolt-Vallois und Suenen, in Chouilly Legras und Vazart-Conquart und in Cuis ist es Pierre Gimmonet.

Die untere Kreide: Kein Weinbau möglich

Das Gebiet der unteren Kreidezeit-Schicht, die sich zwischen 135 und 96 Mio. Jahren gebildet hat, ist keines, wo Weinbau sinnvoll möglich wäre. Die Böden sind eher die einer Börde, sind eher fett und geeignet für den Anbau von Weizen und vor allem Zuckerrüben.

Die Côte des Bar, das Chablis und das obere Jura

Die älteste Schicht des Pariser Beckens, die für die Champagne eine Rolle spielt, ist die des oberen Jura. Sie ist schmal und beeinflusst sowohl die Côte des Bars als auch das Chablis (und übrigens auch wesentlich Sancerre und Pouilly). Entstanden ist sie zwischen 135 und 157 Mio. Jahren und setzt sich zusammen aus Tithonium (Portlandian), Kimmeridge und Oxfordium. Der Name Jura wurde von Alexander von Humboldt bezüglich der Gesteinsschichten des Juragebirges ein- geführt. Die wichtigsten Fossilien aus dieser Zeit sind die Ammoniten und Belemniten, die beide entfernte Verwandte der Tintenfische sind.

Das Jura war gleichzeitig die erste Hochphase der Dinosaurier. Das Klima war warm und zu Beginn des Jura war der Vorläufer von Europa mit Wasser bedeckt. Zum Ende, im oberen Jura dann, hatten sich Teile der Landmassen schon erhoben. Die Bodenschichten des Oberen Jura kann man in Reinform auch im süddeutschen Solnhofen bewundern, wo man in den Plattenkalken unter anderem Exemplare des Archaeopteryx gefunden hat.

Entscheidend für den Weinbau an der Aube ist aber nicht die obere Schicht des Oberen Jura, das Tithonium oder Portlandium, benannt nach der englischen Isle of Portland. Es ist der Kalkmergel, der ebenfalls nach einem englischen Ort benannt wurde: Kimmeridge. Er ist Teil der Jura-Küste im Süden Englands und er prägt die Weinberge des Chablis wie auch die von Sancerre und Pouilly-Fumé. Auf diesem Kalkgestein, das weniger hart ist als der Portlandstein, liefern Chardonnay und vor allem Pinot einen höchst lebendigen, ja oft duftigen und frischen Wein mit feinem Nussgeschmack, der sich deutlich von Pinots der Montagne oder gar dem Tal der Marne unterscheidet.

Das Jura war gleichzeitig die erste Hochphase der Dinosaurier.

Die Säurestruktur ist eine ganz andere, weil der Boden weniger basisch ist als die reine Kreide. Natürlich ist auch der Wasserhaushalt ein ganz anderer und zum Schluss auch die mineralische Komponente der Böden. Die Weine gehören, geologisch gesehen, viel eher zur Bourgogne als zur klassischen Champagne und waren deshalb dort auch weniger beliebt. 1908 schließlich hat man die Aube-Winzer aus der Champagne herausgedrängt, musste sie aber 1911 nach heftigen Protesten wieder aufnehmen. Grand-Cru-Status gibt es dort allerdings nicht und auch heute noch sind die Winzer benachteiligt, denn sie bekommen deutlich weniger Geld für ihre Trauben.

Glücklicherweise hat sich das Preisniveau insgesamt in den letzten beiden Jahrzehnten auf einem so hohen Niveau etabliert, dass auch diese Winzer davon gut leben können. Die Weinberge an der Aube sind heute vor allem die Spielwiese der Winzer und wer Weine weit abseits des Mainstreams sucht, ist hier wunderbar aufgehoben. Auf dem Kalksteinboden fühlen sich vor allem die Winzer wohl, die eigentlich mehr in Richtung Bourgogne schielen statt nach Épernay oder Reims. Olivier Horiot ist so einer. Er hat seine Weinberge in Les Riceys, einer großen, aus drei Orten bestehenden Gemeinde, die seit langer Zeit bekannt ist für ihre stillen Rosé-Weine aus Pinot, von denen er einen der besten macht.

Auch seinem Champagner merkt man den besonderen reichen Bodentypus an, der sehr fruchtigen Pinot bei zurückhaltender Säure hervorbringt. Es ist auch kein Wunder, dass man hier an der Aube ab und zu über einen reinsortigen Pinot-Blanc-Champagner stolpert – diese Rebsorte fühlt sich auf den Kalkböden (eigentlich mit Kreide durchsetzte Mergel- und Kalkböden) wohler als auf reiner Kreide. Der Chardonnay ähnelt hier mehr den Weinen aus dem Chablis als denen der Côte des Blancs.

Das einzige größere Haus, das an der Côte des Bar beheimatet ist, ist Drappier. Es hat sich in den letzten Jahren immer mehr den Winzern angeschlossen und ist höchst experimentierfreudig. Es gibt hier zahlreiche empfehlenswerte Winzer.

Auswirkungen des Klimas

Nicht vergessen werden sollte das Klima der Region, das sich in mindestens ebenso viele Mikroklimata auffächert, wie es besondere geologische Formationen gibt. Dass das Gebiet das nördlichste und gleichzeitig kühlste Weinbaugebiet Frankreichs ist, ist bekannt. Der Weinbau an 49° nördlicher Breite bedeutet einen langsameren Vegetationsverlauf, der dazu führt, das die Rebsorten Pinot Noir, Meunier und Chardonnay selten üppig reif werden, sondern eher höhere Säure- als Zuckergrade aufweisen. Dieser Umstand ist für die Erzeugung von Champagner natürlich genauso wichtig wie die Bodenbeschaffenheit.

Das Gebiet unterliegt, auch wenn es 200 Kilometer von der Küste entfernt ist, sowohl atlantischen Einflüssen als auch kontinentalen. Auch wenn der Atlantik also mäßigend einwirkt, sorgt das kontinentale Klima für kalte Winter und gemäßigte Wärme im Sommer. In Reims steht die Sonne am längsten Tag des Jahres im Zenit bei nur 65°, was relativ niedrig ist, sodass man davon ausgehen muss, dass jeder Sonnenstrahl zählt. Wirklich bemerkenswert ist deshalb, dass gerade in der Montagne de Reims viele Weinberge nördlich ausgerichtet sind und der Hangwinkel meist ziemlich flach ist.

Um dem kühlen Klima zu trotzen, hat man früher wohl deutlich dichter gepflanzt, als es heute üblich ist. So ist einer der Gründe für die Tradition der Cuvée aus unterschiedlichen Lagen der, dass man ein gutes Qualitätsmittel erreichen konnte. Auch die übliche Vermischung von Jahrgängen hilft natürlich, eine konstante Qualität zu erreichen. Gerade in den Zeiten, in denen es noch keinerlei Kellertechnik gab, war die unterschiedliche Qualität der Jahrgänge noch herausfordernder als heute. Beide Besonderheiten, die es in der Champagne bezüglich der Cuvée gibt, haben ursächlich ihren Grund in den speziellen Herausforderungen des vor allem kontinental geprägten, kühlen Klimas.

Wie sollten diese unterschiedlichen Böden auch nur annähernd einen gleichen Wein hervorbringen?

Exemplarisch: Champagne Tarlant

Die Cuvée Louis ist ein Blend von 50 % Chardonnay und 50 % Pinot Noir, die beide von der Lage Les Crayons in Œuilly stammen. Wie der Name schon sagt, ist dies eine kleine Kreidelage an der Marne. Hier findet sich pure Kreidezeit. La Vigne d’Antan ist ein reinsortiger Chardonnay von wurzelechten Rebstöcken, die in der Lage Les Sables stehen – ebenfalls in Œuilly. Dies ist Eozän, 45 Mio. Jahre alt und so sandig, dass es kein Problem mit Rebläusen gibt. La Vigne d’Or ist 100 % Pinot Meunier von alten Reben, die in der Lage Pierre de Bellevue in Œuilly stehen, und repräsentiert eine Zeitspanne innerhalb des Eozän, wo sich Kreide in einem Mix mit Tonerde befindet (ausgehendes Paläozän bis Eozän, etwa 56 Mio. Jahre). Schließlich gibt es einen ersten Jahrgang des reinsortigen Pinot Noir La Vigne Royale aus dem Weinberg Mocque Tonneau in Celles-lès-Condé, weiter westlich von Œuilly gelegen und aus hartem Kalkstein geformt.

Bei Tarlant findet man also eine ganze Reihe verschiedener Schichten und entsprechend unterschiedlich sind die Weine, die an sich ganz ähnlich ausgebaut werden, wenn auch die drei rebsortenreinen Weine auch Jahrgangschampagner sind, während die Cuvée Louis mit 15 % Reserveweinen auf-gefüllt wird. Die Weine werden alle im neuen Holz ausgebaut und es gibt niemals biologischen Säureabbau.

Die Cuvée Louis präsentiert sich mineralisch säurebetont und gleichzeitig voll, generös, dunkel, würzig, aber ebenso cremig mit Anklängen an Honig, Haselnuss und kandierte Früchte.

La Vigne d’Antan dagegen ist meilenweit von einem Blanc de Blancs entfernt, wie man ihn in kreidebetonten Gegenden findet.

Der Wein zeigt sich viel seidiger und statt der Zitrusaromen, die man gerne in den typischen Chardonnays an der Côte des Blancs hat, dominieren hier Akazienblüten und Äpfel.

La Vigne d’Or bringt Meunier und den passenden Boden zusammen. Die Säure gibt sich zurückhaltender, dafür erinnert der Wein an exotischen Fruchtsalat mit Mango, Ananas, Litschis und Maracuja. La Vigne Royale schließlich zeigt das Zusammenspiel von Pinot Noir und hartem Kalkstein aus dem jüngeren Jura, wie wir ihn hier eigentlich sonst nur tief im Untergrund finden oder eben an der Oberfläche der Côte des Bar weiter im Südosten. Tarlant ist also ein gutes Beispiel dafür, dass man auch in einer von Mergel, Ton und Meunier geprägten Gegend zwischendrin mal die andere Champagne findet.

Weingärten im Herzstück der Champagne: Hier werden auf kargen Kreideböden die Trauben und deren Saft zu flüssigem Gold. (© Champagne Tarlant)

Post Scriptum

Die drei vorherrschenden Kalksteine in der Champagne:

Kalkstein — besteht überwiegend aus Calcit und Aragonit, die wiederum Kristallisationsformen von Calciumcarbonat darstellen. Meist stark verfestigt.

Mergel — Kalkstein mit einem hohen Anteil von Ton- mineralen.

Kreide — mürber Kalkstein, feine, mikrokristalline Sedimente, entstanden durch Ablagerung fossiler Kleinstlebewesen.

Weiterführende Literatur

James E. Wilson Terroir - Schlüssel zum Wein: Hallwag, Ostfildern 2000

Jacques Fanet - Great Wine Terroirs: University of California Press 2004

Charles Frankel - Land and Wine: The French Terroir University of Chicago Press 2014