Business as usual hier, leere Lokale da

Für die Servicemitarbeiter ist das Tragen der Mundmasken eine Zumutung, aber die meistern diese Situation tapfer und mit Stil, beziehungsweise mit schicken Masken von ambitionierten Schneidern. Brillenträger im Service müssen dank ständig beschlagener Gläsern darauf achten, dass sie den Gästen nicht in die Arme oder auf die Teller rennen. Auch wenn manche Cafés, welche ihr Geschäft vornehmlich mit Touristen machen, erst gar nicht aufsperren, wie die Konditorei Demel im ersten Bezirk oder das Café Sperl im sechsten Bezirk, oder wie das noble Innestadt-Lokal „Zum Rauchfangkehrer“ über Umsatzrückgänge von bis zu 90% klagen – die Stimmung war nach ein paar Tagen besser als befürchtet.

Social Distancing im engen Beisl – wie soll das gehen?

Hier ein paar Notizen aus den vergangenen vierzehn Tagen:

Lokalaugenschein in der Innenstadt. Auf der schicken Terrasse des In-Italieners Fabios reger Verkehr. Der Herausgeber eines Weinmagazins, dessen Name oft für einen dicken Angeber und Genießer steht, soll dort gleich am ersten Tag nach dem Aufsperren eine fette Party gefeiert haben, bei der der Champagner und die italienischen Weine mit -aia im Namen kräftig geflossen seien.

Besuch in einem der besten Wirtshäuser der Stadt, dem Grünauer im siebten Bezirk. Christian Grünauer im Montags eher schütter besetzten, engen Lokal, das wie alle unter der Sperrstunde von 23 Uhr leidet: „Geschäftlich lohnt sich das Aufsperren gerade eher nicht.“ Dafür war das Essen ausgezeichnet.

Der Grünauer im 7. Bezirk: eine Beisl-Institution.

Im Steirereck am Stadtpark, Wiens berühmtester Adresse für Feinschmecker und international reisenden Foodies antwortet Birgit Reitbauer auf die Frage nach ihren Einschätzungen der nahen Zukunft verhalten optimistisch: „Wir sind alle supermotiviert. Haben aber Angst, dass, wenn Gäste sich nicht an die Abstandsregeln halten und es etwa in einem Restaurant zu einem Ausbruch kommt, die Gastronomie wieder leiden wird.“

Vor einem neuerlichen Lockdown haben alle Angst. Das Steirereck ist an diesem Mittag gut gebucht, das Ausfallen der Gäste aus anderen Ländern macht sich aber bemerkbar.

In den Hotels und deren Restaurants herrscht gähnende Leere. Das berühmte Sacher bot vor vierzehn Tagen den Wienern Dinners in den Sacher-Suiten an, um das Geschäft ein wenig zu beleben. Es rächt sich generell, dass viele feine Stadthotels immer nur auf Touristen, aber die auf Gäste aus der Umgebung gesetzt haben. Denen jetzt ihre Restaurants schmackkaft zu machen, kann in der kurzen Zeit nicht gelingen.

Ein Vor-Corona Bild vom Team des Sternerestaurants Steirereck - auch hier fehlen die internationalen Gourmet-Touristen.

Das exzellente Japan-Restaurant Shiki, dem wir in unserer Nummer 8 einen Bericht widmeten, hat fürs erste das Mittagsgeschäft gecancelt. Geschäftsführer Thomas Grund sagt: „Das ist jetzt mal Geschichte. Wir haben nur noch abends offen und am Samstag auch zu Mittags. In den Sommermonaten rechnen wir mit einem Umsatzminus von 50%. Im Sommer kommen wir also mit einem blauen Auge und einer stark verkleinerten Mannschaft davon. Hoffentlich können wir das im Herbst ausgleichen.“

Ich befrage Andreas Wiesmüller, den Inhaber des Bar-Restaurants Heuer am Karlsplatz: „Wir sind bummvoll, aber die Konsumationen betragen 50% des gleichen Zeitraums im vorigen Jahr.“ Und er fügt hinzu: „Im Winter kommt noch was.

Angst vor einem neuen Lockdown

Wiesmüller sagt: „Wenn die Zahlen schlechter werden, und das werden sie, fürchte ich, dann wird das die Gäste sehr, sehr verunsichern.“ Und dann sagt er, was sich gerade viele Gastronomen denken, was aber wenige gerne von sich in als Zitat lesen möchten. Die Regierung hätte viel versprochen, doch der Staat wenig gehalten. Er sagt: „Kurzarbeit von Mitarbeitern ist ein systematisches Problem, weil gerade in Zeiten solcher Disruption Manpower gebraucht wird, um das Konzept der neuen Situation anzupassen, neue Businessmodelle aufzusetzen, Karten und Angebot zu überdenken.

Diese Arbeitszeit zu zahlen ist schwer, wenn der Umsatz fehlt. Wir sind ist beschäftigt, Anträge zu schreiben und die Steuerberater bei Laune zu halten, die durch die Bank im Pre-Burnout sind.“ Denn es ist so, dass die Kurzarbeit von den Unternehmern vorfinanziert wird, die bereits seit Monaten auf das Geld von der Regierung warten. Wiesmüller: „Sehr problematisch sehe ich für viele Gastronomen die Fallen der Stundungen (Krankenversicherung Finanzamt), da werden wir bald jede Menge Konkurse und vor allem Privatkonkurse sehen.“

Ohne Lobby: Gastronomie in Österreich

Gastronomie macht 18% der Wirtschaftsleistung Österreichs aus, doch die Branche hat keine Lobby. So drehen manche Gastronomen ihr eigenes Ding. Friso Schopper, der Besitzer der Champagnerbar „Dosage“ gab den Wut-Wirten.

Klare Ansage an die Politik in der Dosage Champagne Bar.

Mit seinem Hinweis, Regierungsmitglieder dürften seine Bar erst ab einer gewaltigen Mindestkonsumation betreten, weil sie ja den Lockdown und damit für seinen Betrieb einen zweimonatigen Umsatzausfall zu verantworten hätten, schaffte er es in die Boulevardzeitungen. Für Schopper hat sich das Engagement ausgezahlt: Seine Bar ist gut gefüllt.

Küchenchef Daniel Kellner vom Wiener Innenstadt-Italiener „Martinelli“ sagt: „Wir müssen jetzt alle über unser Angebot nachdenken und es möglicherweise neu justieren.“ Im Martinelli spielt jetzt an Samstag Abenden eine Life-Band Barockmusik zu Pasta und Branzino. Die Gäste scheinen das zu mögen.

Frage an Steve Breitzke, der mit Matthias Pitra die wunderbare Weinbar Mast betreibt: Wie läuft das Geschäft? „Bei uns läuft alles sehr gut. Die Stammgäste sind alle da. Sowohl drinnen als auch im Schanigarten sind wir gut besucht. Jetzt haben unsere Gäste auch den Mittagstisch entdeckt. Zwei Drittel mehr Umsatz als früher. Es ist fast verwunderlich.“ Kritik an die Politik gibt es auch: „Das Epidemiegesetz wurde außer Kraft gesetzt. Dadurch haben wir den Umsatz von zwei Monaten komplett verloren.“

Steve Breitzke - Gastgeber der Weinbar MAST,

Die vom Staat vollmundig angekündigte Kompensation an Selbständige geriet für viele Unternehmer und Kleinunternehmer zur Lachnummer. Breitzke sagt: „Ich habe im ersten Monat gar nichts, dann pro Monat 500 Euro bekommen. Davon kann man natürlich das Leben nicht bestreiten.“

Die Bürokratie ist für die zu Bittstellern degradierten Selbständigen in Österreich nicht die einzige Hemmschwelle, um an das von der Regierung mit dem Motto „Koste es, was es wolle“ angekündigte Geld aus dem „Hilfsfonds“ zu kommen. Die Abwicklung der Hilfe wurde an die Wirtschaftskammer Österreichs (WKÖ) delegiert, eine Organisation, bei der jeder Selbständige Zwangsmitglied ist – vom Industriellen über den Betreiber einer Bar bis zum Werbegrafiker – und beträchtlich Zwangsmitgliedsbeiträge berappen muss. Die WKÖ sitzt auf 1,4 Milliarden Euro an Geldreserven, die aus diesen Zwangsbeiträgen lukriert werden.

Während des Shut-Downs und auch danach erwiesen sich die Mitarbeiter der WKÖ als überfordert, die EDV musste mehrmals überarbeitet und neu aufgesetzt werden. Das Geld tröpfelt nur langsam. So sprach der Wiener Cafetièr Berndt Querfeld von den angekündigten Hilfsgeldern als „zerplatzten Luftballons“, was dem Unternehmer prompt von der Regierungsseite eine Rüge einbrachte.

Volle Lokale und Hotels in der Provinz

Gut, dass die Österreicher dennoch ihre Freude am Ausgehen nicht verloren haben. Auch außerhalb der Stadt können sich die Restaurants ihrer Gäste kaum erwehren. Im Taubenkobel in Schützen haben Barbara Eselböck und Alain Weissgerber ihr Angebot den Gegebenheiten angepasst – manche Locals sind gerade beim Geld ausgeben etwas zurückhaltender als in Vor-Corona-Zeiten- und neben dem Menü gibt es jetzt auch Köstlichkeiten im Bistro-Stil zu brieftaschenfreundlichen Preisen. Ergebnis: Am Pfingstwochenende war das Restaurant trotz schlechtem Wetters rund um die Uhr besetzt.

"Wir lachen unter unseren Masken, versprochen!" Das Taubenkobel-Team steckt den Kopf nicht in den Sand.

In der Steiermark waren vergangenes Wochenende alle feinen Restaurants und Hotels ausgebucht, mit der Ausnahme derer, die sich auf Seminartourismus spezialisiert haben. Der Weinhandel, der sich während der vergangenen Jahrzehnte sehr auf die Gastronomie konzentrierte, hat zur Zeit volle Lager. Doch getrunken wurde während der Lock-Down-Phase nicht gerade wenig. Eine Kurzumfrage im allerdings möglicherweise in der Gesamtstatistik nicht relevanten Bekanntenkreis ergibt: Pro Tag und pro Person eine Flasche Champagner oder Wein war das Übliche. Die Weinkeller sind gerade ziemlich leer getrunken.

Und der Ab-Hof-Kauf beim Winzer des Vertrauens erfährt eine Renaissance. So wie der Online-Handel mit Wein und anderen Delikatessen. Den Österreichern auch kann das härteste Virus nicht die Lust am Genuss abgewöhnen. Das ist gut – im Gegensatz etwa zum Noma in Kopenhagen ist die österreichische und auch die Wiener Spitzengastronomie nur bedingt auf Touristen angewiesen.

Neuen Meldungen zu Folge scheint die österreichische Regierung verstanden zu haben, worum es geht. Andreas Döllerer vom Salzburger Restaurant Döllerer war bei einem Gipfeltreffen zwischen Politik und Gastonomie dabei, und er erzählt: „Am Wochenende fand eine Klausur mit Bundeskanlzer Sebastian Kurz und Ministerin Elisabeth Köstinger und Gastronomen aus unterschiedlichen Branchen statt.

Gipfeltreffen mit dem Bundeskanzler

Die Regierung merkt, dass die Gastronomie in Bedrängnis ist. Ende Juni, wenn das Urlaubsgeld fällig ist (in Österreich gibt es vierzehn Gehälter statt zwälf wie in Deutschland), wird es eng. Allen ist zur Zeit klar: 10 bis 30% der Betriebe werden wir verlieren, wenn die Regierung nicht nach bessert.“

Und eine Pressekonferenz vom letzten Freitag brachte den Finanzminister Blümel und die Tourismusministerin Köstinger auf die Bühne. Vorhang auf für die neuen Ideen und Maßnahmen der Politik: Es wird Reduzierung der Umsatzsteuer in der Gastronomie und in der Kultur auf 5% geben. Ab 1. Juli und sofern die Europäische Kommission ihr ok gibt. Die Gastronomen freuen sich, Betriebswirte melden Skepsis an.

Es bleibt spannend.