Die Gastronomie und Hotellerie ist mit fast 2,5 Millionen Beschäftigten in Deutschland eine der Branchen, die am meisten unter der Corona-Krise zu leiden hat, keine andere verzeichnete im April eine so hohe Arbeitslosenquote.

Viele Wochen lang musste der Großteil der Betriebe komplett auf Umsatz verzichten, Take-Away-Konzepte funktionierten nur in wenigen Fällen so gut, dass es sich wirklich gelohnt hat.

Zu hoch die Kosten, zu gering der Umsatz.

Nur wer in guten Zeiten Reserven gebildet und ein schlankes Kostengerüst hat, der hat den Lockdown einigermaßen überstanden. Seit kurzem dürfen nun in allen Bundesländern sowohl draußen als auch drinnen wieder Gäste bewirtet werden.

Einziger Haken: Die strengen Auflagen, Sperrstunden, Maskenpflicht und Abstandsregeln. Für manche macht es unter diesen Voraussetzungen wenig Sinn, ihren Laden zu öffnen – zu hoch die Kosten, zu gering der Umsatz. Einige haben sich daher entschlossen, vorerst nicht wieder aufzusperren. Es gibt auch Läden, die nach einer Woche Testbetrieb wieder geschlossen haben, da die momentane Lage für sie defizitär ist.

Die meisten sind jedoch froh, endlich wieder etwas zu tun zu haben und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Wir haben mit einigen Gastronomen gesprochen, um die Stimmung im Land einzufangen. Hier der erste Teil: Berlin.

Weinbar Freundschaft, Berlin

Das Duo Johannes Schellhorn und Willi Schlögl von der Weinbar Freundschaft in Berlin Mitte ist ebenso froh, dass es endlich wieder losgeht. Doch auch bei ihnen kommt aufgrund der strengen Abstandsregeln und der reduzierten Öffnungszeiten nur knapp die Hälfte des Umsatzes rein, was ihre Freude verständlicherweise etwas dämpft.

"Maske richten und Vollgas!" Die Parole von Willi Schlögl und Johannes Schellhorn aus der Berliner Freundschaft.

Johannes & Willi: „Grundsätzlich sind wir sehr glücklich wieder aufmachen zu dürfen.

Die Zeit der Ungewissheit war für jeden in der Branche sehr schwierig.

Die Auflagen sind für uns im Außenbereich ganz einfach umzusetzen, in der Bar selbst können wir nach den derzeitigen Bestimmungen nur rund die Hälfte der Gäste bewirten, das spiegelt sich natürlich auch dementsprechend im Umsatz wider.

Gut, der Mundschutz nervt, gerade weil man als Sommelier doch zumindest am Kork riecht und gegebenenfalls auch einen Probeschluck nimmt. Ansonsten ist alles eh wie immer.

Was wir uns von der Politik am meisten wünschen? Dass die in unseren Augen lächerliche Sperrstunde um 22.00 Uhr so schnell wie möglich aufgehoben wird.

Oder ist man um Mitternacht etwa ansteckender?

Freundschaft!"

Restaurant Anabelas Kitchen, Berlin

Das deutsch-portugiesische Restaurant Anabelas Kitchen in der Pestolazzistraße in Berlin-Charlottenburg hat sobald es möglich war wieder eröffnet. Das Team blickt hoffnungsvoll in die Zukunft und freut sich auf den Sommer.

„Die ersten Eindrücke waren beeindruckend. Wir sind zufrieden mit der Auslastung, die fünf Tische, die wir bekochen dürfen, waren jedes Mal besetzt. Die Stammgäste sind gleich an den ersten Tagen gekommen. Die erworbenen Gutscheine wollen die meisten Gäste erst später einlösen, damit wir erst einmal Geld verdienen. Einige haben uns sogar Gutscheine gespendet – ohne Gegenleistung. Und, die Gäste halten sich an die Hygiene-Vorschriften! Was nicht so toll ist: Einige wenige halten sich erst nach Zuruf an die neuen Regeln."

Geringe Auslastung bei gleichbleibender Miete. Unschön! (© Anabelas Kitchen)

Anabela & Marion:

Was wir bräuchten, wäre unbedingt eine politische Regelung für Gewerbemieten. Unser Vermieter kommt uns nämlich nicht mit einer verringerten Miete entgegen. Bei einer so geringen Auslastung des Restaurants und gleichbleibender Miete, wird es irgendwann kritisch. Da wäre die Politik gefragt! Positiv ist allerdings, dass wir mehr Fläche draußen bespielen dürfen. Der Sommer kommt ja bestimmt.

Wir hoffen einfach, dass alle gesund bleiben, körperlich und geschäftlich!"

Restaurants Fleischerei & Gärtnerei, Berlin

Bernhard Hötzl eröffnete erst die Fleischerei in der Schönhauser Allee und eroberte die Herzen der Berliner mit Himmel & Erd, Broiler und Rumpsteak. Um auch die Vegetarier der Hauptstadt glücklich zu machen, kam die Gärtnerei in der Torstraße dazu, in der hauptsächlich Vegetarisches angeboten wird. Hötzel lässt Politikverdrossenheit durchblicken und sieht der Zukunft skeptisch entgegen. Wahre Unterstützung der Gastronomie sieht für ihn anders aus. Allein das flächendeckende Erlassen der Gewerbemieten könnte für viele Betriebe die Rettung sein.

Handfest wie früher, aber mit mehr Schmäh - Das ist die Fleischerei in der Schönhauser Allee

„Es geht eher durchwachsen. Die Balance hinzukriegen, möglichst wenig Personal zu beschäftigen und möglichst wenig Ware einzukaufen, um den mehr als halbierten Umsatz abzufangen, die Hygieneabstände einzuhalten und dem Gast trotzdem einen einigermaßen schönen Abend bereiten zu können, ist eine ebenso große wie unbefriedigende Herausforderung.

Die Auslastung ist auch suboptimal. Den Leuten ist über Wochen eine derartige Angst eingeimpft worden, dass viele immer noch lieber zuhause kochen oder sich was bestellen. Diese Delivery-Versuche sind für kein Restaurant kostendeckend. Jeder weiß das, aber alle mussten so tun, als ob das was ganz Tolles ist und man in der Lage ist, sein Business ratz fatz zu "transformen"…

Der schönste Moment war, als wir – trotz allem Regulierungschaos – viele Stammgäste endlich wieder begrüßen durften, natürlich aus sicherer Distanz, anstatt sich in die Arme zu fallen und bis spät in die Nacht zu saufen, aber immerhin. Was mich besonders ärgert, ist die atemberaubende Unbedarftheit, Verlogenheit und Inkompetenz der Politik.

Ein Blick in den Garten der Gärtnerei: Rote Beete Sachimi, Schwarzerrettich, Chiasamen

Angefangen bei der mangelnden Kontrolle wer oder was gefördert wird, über die Kreditaufnahmen, zu denen man gezwungen wird, anstatt gefördert zu werden (IBB-Paket 5), den verspäteten Auszahlungen der Kurzarbeitergelder, bis zur Einführung der MwSt-Senkung auf 7 Prozent, welche uns Gastronomen entlasten soll, aber erst in acht Wochen kommt, anstatt sofort zur Wiedereröffnung! Bis dahin sind eh’ viele pleite.

Die Politik sollte bitte einfach gar nichts versuchen zu leisten! Es wird nur verschlimmbessert und kostet uns und unsere Nachkommen ein Vermögen. Verordnungen gehören zügig zurückgenommen, die abstrusen Bürokratieanforderungen ebenfalls. Die Idee einer negativen Gewinnsteuer könnte helfen.

Das einzige, wobei uns die Politik helfen muss, ist den Gewerbevermietern für einen gewissen Zeitraum ein flächendeckendes Erlassen (nicht nur Stundung!) der Mieten vorzuschreiben. Somit wäre die Last des unternehmerischen Risikos (von dem sich auch Vermieter nicht entbinden lassen können) gerechter verteilt und es müssen keine Steuergelder dazu missbraucht werden.“

Restaurant Nobelhart & Schmutzig*, Berlin

Billy Wagner ist der meinungsstarke Kopf des mit einem Michelin Stern ausgezeichneten Nobelhart & Schmutzig Restaurant. Zusammen mit Koch Micha Schäfer haben sie das Team durch nobelharte Mahlzeiten für zu Hause durchgebracht und bieten jetzt auch Hausgemachtes zum Bestellen an.

Billy Wagner (links) und sein Nobelhart & Schmutzig-Team hatten vor Corona gut lachen…

Billy Wagner: "Unsere ersten Eindrücke: Die Gäste gehen aus. Wir sind gut gebucht. Die Gäste freuen sich mal wieder essen zu gehen. Die Regeln sind die Regeln und wir richten uns danach.

Trotzdem ist es grundsätzlich etwas schwierig, wenn alles um 22.00 Uhr leer sein muss. Das stresst den Gastgeber und dann auch irgendwie den Gast. Als nächsten Schritt würde ein 23 oder gar 24 Uhr wichtig sein. Dann können wir immer noch weniger Gäste machen, aber wir können mit dem Gast mehr Zeit verbringen und damit auch mehr Geld verdienen.

Mit der Auslastung sind wir bisher zufrieden. Aber wir müssen schauen wie wir den Ausfall von Gästen kompensieren können. Dafür kann man weiterhin für Daheim noch essen zu bestellen. Das wurde in den letzten Tage auch ohne großes bewerben sehr gut angenommen.

... und auch mit! Auch wenn man es nicht sieht: Unter den Masken grinst die Truppe.

Fragen die, die im Raum stehen: Wieviel Nähe ist ok. Wieviel möchte ich zulassen und wieviel Distanz ist richtig. Hierbei wird es sicher die einige oder andere übergriffige Situation geben. Was ist für mich und den Gast ok. Als Gastronom habe ich Verantwortung. Und mit dieser muss ich verantwortungsvoll umgehen. Mein Gefühl, dass es eine Menge Menschen gibt, die nicht von Corona finanziell betroffen sind, war richtig. Es wurde teilweise sehr gut gezecht. Auch unter Zeitdruck. Weil um 22.00 Uhr das Speiselokal schon wieder leer sein muss.

Seltsam war: Ich fand mich in einer Situation, die den meisten Frauen bekannt sein wird:

Ich habe mich umarmen lassen, obwohl ich mich total unwohl dabei fühlte. Ich war mir nicht sicher, ob ich es dem Gast nun irgendwie schuldig war oder nicht.

Wir lieben die Gastronomie. Sie ist Lebensqualität.

Ebenso war ich besorgt, dass meine Gründe, keine Nähe zulassen zu wollen, überhaupt nicht angehört oder direkt abgewehrt werden würden.

Und so stand ich schon wieder als Spielverderber und Regelfetischist dar.

Aber das bin ich nicht und wollte es auch niemals sein. Was die Politik leisten muss ist Sicherheit und vorausschauendes Denken. Das offen, ehrlich und transparent kommuniziert wird. Und das die Entscheidungen erklärt werden. Wenn ich ernst und wichtig genommen werde und man in mich vertraut, kann ich empathisch gegenüber der Regierung sein. Sagt man aber nichts, kommuniziert nur das Nötigste dann wird das schwierig."

The Grand, Berlin

Die Betreiber des gehobenen Restaurants The Grand in der Hirtenstraße in Berlin haben es sich nach anfänglichen Jubelschreien dann doch noch mal ganz genau überlegt und vorerst die Tore geschlossen gehalten.

© The Grand, Berlin

Mathias Martens: „Wir vom The Grand in Berlin Mitte haben uns nach der ersten Euphorie besonnen und unser Restaurant noch nicht wieder geöffnet, was sich nach einer Woche als richtig herausgestellt hat.

Die Hygieneauflagen sind zwar für uns leicht einzuhalten und natürlich würden wir gerne sofort wieder für unsere Gäste da sein. Dazu haben wir eine große Anzahl Stammgäste, die vermehrt auch schon nachfragen, wann es wieder losgeht...

Außerdem gibt es viel Platz im Restaurantbereich und auf der Terrasse. Allerdings sehen wir das Gesamterlebnis „Fine Dining im The Grand“ leider unter den aktuellen Bedingungen noch nicht gegeben. Die Schließzeit um 22.00 Uhr passt nicht zu unserem Konzept und ist wirtschaftlich gesehen ein absolutes Stoppschild für eine Wiedereröffnung.

Bei anhaltend gutem Wetter werden wir aber unsere Terrasse „The Grand Garden“ in absehbarer Zeit wieder öffnen, für die Entscheidung wann genau das sein wird, nehmen wir uns aber noch ein paar Tage Zeit und werden Erfahrungswerte von Kollegen bewerten.

Die halbherzige Unterstützung der Politik macht uns traurig, wütend und ratlos.

Der Berliner Senat sollte ruhig strengere Auflagen bezüglich Personenzahlen, Hygiene, Aufenthaltsdokumentationen und Abstände angeht verhängen, dafür sollte man dringend darüber nachdenken, die Öffnungszeiten bis 0.00 Uhr zu verlängern. Dann macht ein „double seating“ für Gäste und Betreiber Sinn und gepflegt Essen zu gehen wird wieder zum Erlebnis.“

Wir alle lieben die Gastronomie, gutes Essen, handwerkliche Weine. Sie sind Teil unserer Lebensqualität. Die halbherzige Unterstützung von Seiten der Politik macht uns traurig, wütend und ratlos. Nicht nur Gastronomen, auch ihre Lieferanten und damit auch die Landwirte und Winzer werden in der Krise im Stich gelassen. Umso mehr sind Weinbars und Restaurants auf treue Stammgäste und genussaffine Menschen angewiesen, die auch in diesen ungewissen Zeiten genießen und schlemmen.

Wir werden die Lage in den nächsten Wochen weiter beobachten und an dieser Stelle berichten, wie sich die Situation entwickelt.

Bis dahin, bleibt gesund und genießt das Leben!

PS: Bist du Gastronom und möchtest deine Erfahrungen teilen?

Dann schreib uns bitte: ichliebe@schluck-magazin.de